LESERFRAGEN Expertentelefon \"Burn out\" am 27.01.2011
Ich fühle mich zurzeit gar nicht gut und habe Angst vor einem Burn-out. Welche Warnsignale gibt es?
- Anja Kluth, Diplom-Psychologin und Verhaltenstherapeutin, Hamburg: Die grundlegendsten Warnsignale sind eine tiefe emotionale Erschöpfung, sozialer Rückzug und eine insgesamt reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit. Im Alltag kann dieser Zustand andauernder Lustlosigkeit aus emotionaler und körperlicher Erschöpfung beispielsweise durch eine anhaltend belastende Arbeitssituation entstehen. Hinzu kommen als Warnsignale je nach Ausprägung ein kognitiver Abbau, ein sozialer Rückzug von Kollegen und dem übrigen sozialen Umfeld - manchmal bis zur Isolation - sowie verschiedene psychosomatische Beschwerdebilder. Führen Sie doch zunächst einmal Tagebuch darüber, worin das "Gar-nicht-gut-fühlen" genau besteht. Zur genauen Diagnose empfehle ich Ihnen dann in jedem Fall das Gespräch mit einem erfahrenen Therapeuten.
Ich glaube, ich stehe kurz vor einem Burn-out. Hilft es mir weiter, wenn ich mich einfach eine Weile krank schreiben lasse?
- Anja Kluth: Eine Krankschreibung wird Sie zwar kurzfristig entlasten und kann bei der Diagnose Burn-out auch tatsächlich notwendig sein. Langfristig ist dies vermutlich aber nicht zielführend. Denn, falls Sie unter zu hohem Arbeitsdruck, mangelhaften Strukturen im Betrieb oder den eigenen hohen Ansprüchen leiden, werden Sie nach einer Krankschreibung keine wirkliche Veränderung erleben, wenn Sie zurückkehren. Eine echte Veränderung kann dagegen beispielsweise durch die Erweiterung Ihrer inneren oder äußeren Handlungsspielräume vor Ort entstehen.
Setzt Burn-out eigentlich Stress voraus? Mir setzt eher die Routine und die Langeweile meines Jobs zu, ich fühle mich deshalb völlig leer und ausgebrannt.
- Anja Kluth: Stress ist ein sehr dehnbarer Begriff für vieles, das negativ emotional besetzt ist. Es ist sehr unterschiedlich, was Menschen als angenehme und sogar belebende Anforderung erleben und wo im Einzelfall der "Stress" beginnt. Genauso kann Unterforderung stressen oder auch eine starke Einschränkung des eigenen Handlungsspielraums. Negativen Stress empfinden Sie aber auch, wenn subjektiv langfristig ein Mangel an Anregung und Erfüllung, Anerkennung und Belohnung ohne Perspektive vorhanden ist.
Mit immer weniger Mitarbeitern muss in meiner Firma ein immer größeres Auftragsvolumen bearbeitet werden. Ich habe mittlerweile Schlafstörungen und fühle mich gestresst. Ich habe aber Angst, das Thema Überlastung bei meinem Chef anzusprechen, um nicht als Versager dazustehen. Was raten Sie mir?
- Gerd Koschik, Leiter Personal- und Sozialwesen bei der Ara-Gruppe, Langenfeld. Schuhproduzent mit 6.800 Mitarbeitern weltweit: Bei einem unterstellten "guten" Verhältnis zum Chef sollten Sie zunächst direkt dort in einem offenen Gespräch die Problematik ansprechen und gemeinsam nach einem geeigneten Weg suchen. Falls ein Betriebsrat oder Sprecherausschuss existiert, können Sie auch dort die Schwierigkeiten vortragen und nach Lösungen suchen. Sie sollten auch prüfen, ob das Problem nur von Ihnen so wahrgenommen wird oder von der gesamten Gruppe. In letzterem Fall ist es ratsam, in der Gruppe nach Auswegen zu suchen.
Ich weiß von zwei Kollegen aus meiner Abteilung, dass sie den immer weiter wachsenden Stress nur noch mit Tabletten bzw. Alkohol bewältigen. Aber lange geht das nicht mehr gut. Nun weiß ich nicht, wie ich mich verhalten soll.
- Gerd Koschik: Bei einem guten kollegialen Verhältnis können Sie das Problem direkt - eventuell unter Einbeziehung einer Vertrauensperson - ansprechen. Andernfalls sollten Sie sich vertrauensvoll an den Betriebsrat wenden und diesen einschalten.
Ich bin 35 Jahre alt und habe gelesen, dass viele Arbeitnehmer schon vor dem Rentenalter berufsunfähig werden. Nun möchte ich mich gegen dieses Risiko absichern. Wie ermittelt man die nötige Versicherungssumme und was kostet eine solche Police?
- Christian Gatt: Versicherungsexperte bei den Ergo Direkt Versicherungen, Fürth: Die wichtigsten Faktoren sind das gegenwärtige Einkommen, der Familienstand und das Versorgungsziel. Je nachdem, welche Versorgungsansprüche Sie bereits haben - beispielsweise Rentenzusagen oder Kapitalvermögen -, ergibt sich daraus eine Versorgungslücke, die Sie im Falle eines Falles schließen müssten. Die Kosten für den Versicherungsschutz hängen dann vom Beruf, dem Eintrittsalter, der Laufzeit des Vertrages, der Höhe des Versicherungsschutzes und natürlich auch von Ihrem Gesundheitszustand ab.
Ab welchem Alter empfehlen Sie generell den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung?
- Christian Gatt: Eine allgemein gültige Empfehlung kann man hier nicht aussprechen. Fakt ist allerdings, dass die Beiträge bei einem höheren Eintrittsalter ansteigen. Vor allem wächst auch die Gefahr, dass Sie durch die im Alter wahrscheinlicher werdenden Erkrankungen oder durch dann bereits bestehende gesundheitliche Beeinträchtigungen keinen Versicherungsschutz mehr erhalten oder nur zu erschwerten Bedingungen. Zudem ist Berufsunfähigkeit kein Thema, das nur ältere Arbeitnehmer betrifft: Auch junge Berufstätige oder Menschen mittleren Alters sind gefährdet. Insofern ist ein frühzeitig geschlossener Vertrag meist vernünftig und ratsam.
Kann ich trotz Vorerkrankungen - ich bin seit meiner Kindheit Asthmatiker - eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen und wo erfahre ich, ob das möglich ist?
- Christian Gatt: Die Risikoprüfer unseres Hauses können nach Prüfung Ihres individuellen Falles und unter Berücksichtigung aller Informationen darüber Auskunft geben, ob der Versicherungsschutz ohne oder mit Ergänzungsbeitrag angeboten werden kann oder ob es zu einem Ausschluss der Erkrankung oder sogar zur Ablehnung des Antrags kommt. Prinzipiell macht es also durchaus Sinn, dass Sie als Asthmatiker einen Antrag stellen.
Welche Ernährungstipps können Sie mir geben, damit ich mit dem Stress bei der Arbeit besser klar komme?
- Franca Mangiameli, Diplom-Ökotrophologin aus Gießen. Buchautorin und Ernährungscoach: Sie sollten zu jeder Mahlzeit Eiweiß - in Form von Fisch, Milchprodukten, Fleisch oder Eiern - zu sich nehmen, um den durch Stress verursachten Muskelabbau auszubremsen. Zudem sollten Sie zu jeder Mahlzeit Gemüse und Obst essen, damit ausreichend immunstärkende Vitamine aufgenommen werden. Kohlenhydrate aus Zucker, Weißmehlprodukten und Kartoffeln sollten Sie dagegen reduzieren, um den Blutzuckerspiegel nicht zusätzlich zu erhöhen. Das Fett in Fisch, Nüssen und hochwertigen Ölen für den Salat ist wichtig für das Gehirn. Wenn Sie langsam essen und gut kauen, führt dies zu einer besseren Ausnutzung der Nährstoffe.
Ich habe Angst, dass der Stress bei meiner Arbeit chronisch wird. Zu welchen gesundheitlichen Beeinträchtigungen kann das auf Dauer führen?
- Franca Mangiameli: Der Stress und die damit oft einhergehende falsche Lebensmittelauswahl können beispielsweise Ihr Risiko, an Diabetes zu erkranken, erhöhen. Ein Nährstoffmangel steigert Ihre Infektanfälligkeit. Auch auf Ihr Gewicht kann der Stress unerwünschte Auswirkungen haben - egal in welche Richtung.
Wie schaffe ich es, meinen inneren Schweinehund zu überwinden und endlich mit Sport zu beginnen, um einen Gegenpol zum beruflichen Stress zu haben?
- Dr. Sven A. Clausen, Personal-Trainer und Leiter des Trainer-Netzwerks "Sport für Hanseaten", Hamburg: Grundlage Ihres Trainings sollte die bewusste Entscheidung sein, dass die eigene Gesundheit untrennbar mit Ihrer körperlichen - und damit auch geistigen - Beweglichkeit zusammenhängt. Nach dem Training können Sie Ihre Leistung analysieren. Noch wichtiger aber ist es, den eigenen Körper in der Bewegung bewusst wahrzunehmen - ihn also zu spüren statt nur über ihn zu reden.
Als Ausgleich zu meinem anstrengenden Job laufe ich fast jeden Abend zehn Kilometer, es ist fast schon eine Sucht für mich. Kann man in Sachen Sport auch zu viel des Guten tun?
- Dr. Sven A. Clausen: Wie in allen Belangen des Lebens sind Einseitigkeiten ungesund. Der richtige Wechsel zwischen Belastung und Pause, Anstrengung und Erholung optimiert Ihre Gesundheit, zu viel Sport überfordert die Gelenke und schwächt die Abwehrkräfte. Ein zwei- bis dreimaliges Training pro Woche, jeweils mit einem Erholungstag dazwischen, ist unter gesundheitlichen Gesichtspunkten optimal.
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